Die eigene Vergänglichkeit, die Sterblichkeit, hat Menschen von jeher beschäftigt. Zahlreiche Komponisten leisteten einen musikalischen Beitrag, um im Bewusstsein dieser existenziellen Angst Trost zu spenden. Dem nimmt sich auch Ein Deutsches Requiem mit den von Johannes Brahms selbst zusammengestellten Bibeltexten an. Im protestantischen Hamburg aufgewachsen, stellte der Komponist den katholischen Vertonungen des lateinischen Requiem aeternam eine deutschsprachige Alternative entgegen.
Die sorgsame Auswahl aus Luthers Bibelübersetzung spannt einen dramaturgischen Bogen, der durch das omnipräsente Leitmotto des Trosts Zusammenhalt erfährt. Als Totenmesse konzipiert gilt dieser Trost den Hinterbliebenen der Verstorbenen. Doch darüber hinaus bietet das Werk einen Beistand für alle Menschen und wird dadurch besonders reizvoll für den konzertanten Rahmen. Ergänzt wird das Programm mit Werken von Felix Mendelssohn-Bartholdy über Benjamin Britten bis zu zeitgenössischen Komponisten. So gewährt das Konzert einen kurzen Einblick in die Vielfalt von Ansätzen, auf welche Weise Trost musikalisch umgesetzt wurde.
Programm
Brahms | Ein Deutsches Requiem in der Fassung für zwei Klaviere und Pauke von H. Poos
Britten | Deus in adjutorium meum intende
Jennfelt | Bön und Du som är min Herre (aus Fünf Motetten)
Mendelssohn | Herr, nun lässest du deinen Diener in Frieden fahren
Nystedt | Peace I leave with you
Raberg | Människans dagar är som gräset
Junges Vokalensemble München
Julia Selina Blank | Leitung
Anne Reich | Sopran
Clemens Joswig und Daniel Weiler | Bariton
Anna Gebhardt und Sebastian Kuhl | Klavier
Tom Nemeth | Pauke
Keine leichte Aufgabe
Als gewaltiges romantisches Oratorium kennt man das Brahms-Requiem in großer Besetzung: ein voller Bläserapparat mit u. a. vier Hörnern, drei Posaunen und einem Chor der gern einmal 60 Leute oder mehr zählt. Da stutzt manch einer bei der Idee gerade einmal 20 Sängerinnen und Sänger zu besetzen, von denen dann auch noch drei die Soli übernehmen. Auch wenn die Fassung für zwei Klaviere und Pauke gewählt wurde – wir mussten also nicht gegen ein Symphonieorchester ankämpfen – war von Anfang an klar, dass es kein leichtes Unterfangen wird. Jede Einzelstimme ist permanent gefordert, durchgehende Konzentration ein Muss. Im Gegensatz zur großen Besetzung, in der sich Einzelne mal etwas zurücknehmen, mal ein Abschweifen erlauben können, ist in dieser kammermusikalischen Form der ständige Fokus gefragt.
Besonders deutlich wurde dies beim ersten Konzert in Augsburg, bei dem nur vier Bassisten verfügbar waren. Da im Brahms-Requiem zwei davon die Soli übernahmen, bestand die Stimme somit zeitweise nur aus zwei Sängern. Gerade in solchen Situationen, in solchen Ausnahmefällen, lernt man am meisten. Wie viel muss ich geben, um eine Balance zu halten, ohne dass meine Stimme heraussticht? Wie viel kann ich geben, um das ganze Konzert (und das Konzert am nächsten Tag) solide durchzusingen?
Neben diesem großen Oratorium, das mit seiner romantischen Harmonik für routinierte Musiker recht schnell verständlich ist, gab es davor noch weniger gewohnte zeitgenössische Musik. Die skandinavischen Komponisten Nystedt, Jennefelt und Råberg beanspruchen genaustes Hinhören und Feinarbeit. Dafür wird man belohnt mit neuen, ungewöhnlichen Klängen, welche die Zuhörer und auch uns selbst verzaubern. In der LMU Aula gelang uns dann vor großem Publikum ein wunderbares Erlebnis, mit vielen innigen, erhebenden und trostreichen Momenten.
Was ein Vokalensemble voller junger Menschen ausmacht, ist die Freude an der Erarbeitung von neuartigen Werken, die Lust Wagnisse auszuprobieren und ganz besonders die Energie, die zusammenkommt, wenn alle an einem Strang ziehen. Auch wenn die Mitglieder außerhalb solistisch auftreten, ist jedes Zusammenkommen wieder eine besondere musikalische gemeinschaftliche Erfahrung.
Konzerttermine
29.04.2016, Auditorium des Zentrum für Musik und Kunst, Universität Augsburg
30.04.2016, Große Aula der Ludwig-Maximilian-Universität München